Startseite » Made in Solingen

„Made in Solingen“

LIVE-ERLEBNIS IN DEN MANUFAKTUREN

Tüftler mit rauen Händen. Preisgekrönte Designer-Messer. Kotten mit Wasserrädern. Ein Blick hinter die Kulissen der Schneidwarenherstellung. Solingen bietet all das. Hautnah und echt.

Tradition und Moderne. Das gehört in Solingen zusammen. Der Begriff „Made in Solingen“ steht für Schneidwaren von hoher Qualität und ist gesetzlich geschützt. „Me Fecit Solingen“ (mich schuf Solingen) – mit diesen lateinischen Worten wurden schon im späten Mittelalter Solinger Erzeugnisse wie Schwerter und Degen versehen. Sie standen schon damals für den unbedingten Leistungswillen und Qualitätsanspruch der heimischen Hersteller. Ende des 18. Jahrhunderts sollen es 400 Messer- und 300 Scherenschmiede gewesen sein. Heute beschäf – tigen sich immerhin noch rund 150 Solinger Betriebe mit der Schneidwarenproduktion. Große Solinger Traditionsunternehmen wie die Zwilling J. A. Henckels AG und die Ed. Wüsthof Dreizackwerk KG sind international bekannt. Prägend für das Stadtbild sind aber die kleineren Manufakturen, deren Bestecke und Messer auch erste Plätze bei Design-Wettbewerben wie dem „Red Dot Design Award“ und „German Brand Award“ erreichen. Etwa die der 1956 gegründeten Firma Gehring Schneidwaren, heute von den Brüdern Hartmut und Volker Gehring geleitet.

Johann Lafer: begeistert von Solinger Messern

Bei ihren 15 Kochmesser-Modellen werden verschiedene Stähle in vielen Lagen so aufgebracht, dass sie optimal vor Bruch und Korrosion schützen. Auch der österreichische Sternekoch Johann Lafer ist ein großer Fan dieser hochwertigen Damast- und nützlichen Kochmesser. Im Winter traf er sich mit den Firmeneignern sowie Solingens Oberbürgermeister in gemütlicher Runde zu einem abendlichen Kochevent in der Show- Küche von Gehring. Und betonte: „Für uns Köche ist es Berufsethos, mit einem Solinger Messer zu arbeiten“. Die Welt der Messer lebt in Solingen wie an kaum einem anderen Ort auf der Welt. Bildet die Klingenstadt Solingen doch zusammen mit Remscheid und Wuppertal eines der größten und ältesten Metallcluster Europas. Und ist ein Solinger anderswo unterwegs, reist wie selbstverständlich meist auch ein „Zöppken“ (Begriff in Solinger Mundart für kleines Küchenmesser) im Koffer mit – als Gastgeschenk.

Johann Lafer in Solingen bei Gehring Messer

Wasserkraft für die Schleifsteine

Eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Solinger Schneidwarengewerbes war die Wasserkraft. Die Wupper und ihre Nebenbäche ermöglichten den Antrieb von Wasserrädern für die Schleifsteine und Schmiedehämmer. Spätestens ab dem 14. Jahrhundert zog Solingens günstige Lage immer mehr Härter, Schleifer, Schmiede und Schwertmacher an. Denn im Bergischen Land fanden sie, was sie für ihr florierendes Gewerbe brauchten: Neben den Bächen und Flüssen in den Wäldern auch Holzkohle, um das Erz aus der Region und dem nahen Siegerland zum Schmelzen zu bringen. Außerdem die nahe gelegene Stadt Köln als Handelsplatz für ihre Waren.
Der Handelsplatz für die heute in Solingen hergestellten Schneidwaren ist die ganze Welt – jedenfalls für Unternehmen wie die Böker Messer- Manufaktur – weltweiter Innovationsführer und größter Hersteller in Europa von Sport-, Einsatz- und Sammlermessern. Deren Art der Herstellung erlebt man allerdings nur hier in Solingen live: etwa jeden ersten Mittwoch im Monat im Rahmen einer 90minütigen Betriebsführung – meist mit Geschäftsführerin Kirsten Schulz-Dalichow persönlich. Da kann man den Spezialisten beim Stanzen, Schleifen und bei der „Handpliesterei“ über die Schulter schauen. Ehrliche Handwerksarbeit von Männern und Frauen, die hier etwa als „Reider“ und „Ausmacher“ arbeiten. Viele der knapp hundert Mitarbeiter der 1869 von Heinrich Böker gegründeten Firma sitzen wie schon Generationen von Schleifern auf kleinen abgewetzten dreibeinigen Holzschemeln, blicken konzentriert auf das Werkstück und sind stolz auf ihre Handarbeit.

Rund 200 Arbeitsgänge stecken in einem Messer

„Rund 200 Arbeitsgänge stecken in so einem Messer“, erklärt Kirsten Schulz-Dalichow, die zusammen mit ihrem Bruder das Traditionsunternehmen leitet. Für jeden hat die Chefin ein persönliches Wort. Hier Grüße an die Ehefrau, dort eine kurze Rücksprache im Vorbeigehen zur Materialbestellung. Auch bei Deutschlands bestem Auszubildenden Lennart Palkovits hält sie kurz inne. Als Jahrgangsbester im Bereich Metalltechnik, Fachrichtung Zerspanungstechnik gratulierte ihm sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Darauf ist man hier stolz – dass der Anspruch auf Qualität eben auch und vor allem für die Menschen zählt – auf eine besonders gute Ausbildung, einen fairen Umgang miteinander, ein herzliches Hallo. Neben all den Küchen-, Sport- und Freizeitmessern oft mit Griffen aus außergewöhnlichem Material wie Wüsteneisen- oder Grenadillholz sind es derzeit vor allem Rasiermesser, mit denen Böker erfolgreich am Markt ist. „Das ist eine Welt für sich“, meint Kirsten Schulz-Dalichow lächelnd, und zeigt den 60seitigen Katalog mit gut dreißig verschiedenen Modellen und jeder Menge Zubehör. Wie bei vielen anderen Böker-Messern geht es auch hier um hohe Qualität. Und so kann ein Messer mit dem berühmten Baumzeichen schon mal bis zu 1500 Euro kosten – im Messershop an der Schützenstraße gibt es allerdings Auslaufmodelle mit deutlichen Rabatten. Und neben den Betriebsführungen bietet Böker – nach vorheriger Anmeldung – Workshops zum Messermachen, Messerschärfen und neuerdings auch zum Rasiermesserschärfen an.

Sprühende Funken, sirrende Schleifbänder

Ein paar Straßen weiter findet man die Messermanufaktur Güde, die weit über die Grenzen der Region bekannt ist. Gerade wurde ihre Messerserie „Synchros“ mit dem „Iconic Award 2019“ ausgezeichnet. Zuvor hatte der 25 Mann-Betrieb etwa mit dem legendären „The Knife“ auf sich aufmerksam gemacht. Das außergewöhnliche Messer mit kurzem Griff und großer Klinge hatte etliche nationale und internationale Designwettbewerbe gewonnen. Ingenieur Karl-Peter Born leitet den 1919 gegründeten Betrieb in der vierten Generation und bietet Besucherführungen auf Anfrage an. Und auch hier: sprühende Funken, sirrende Schleifbänder, ein Geruch von Schleifschlämmen, konzentrierte Arbeit mit geübter Hand während des Schmiede- und Schleifprozesses. So wie bei Böker und Güde kann man auch in anderen Solinger Betrieben hautnah erleben, wie Qualitäts-Schneidwaren entstehen, etwa in der Carl Mertens Besteckfabrik GmbH und bei Karl Bahns GmbH Burgvogel- Stahlwaren. Viele Hersteller bieten einen Werksverkauf an, mehr Informationen dazu unter www.werksverkauf- in-solingen.de.

Messermanufaktur Güde Solingen

Blick hinter die Kulissen

Einen Blick hinter die Kulissen einiger Manufakturen kann man auch beim traditionellen „Solinger-Schneidwaren- Samstag“ im September werfen. Um aber zu verstehen, wie das genau funktioniert mit der Schneidwarenproduktion, sollte man unbedingt auch einen Besuch im LVR-Industriemuseum Gesenkschmiede Hendrichs einplanen. Einen Querschnitt Solinger Handarbeit erlebt man dort etwa beim MesserGabelScherenMarkt am 9. und 10. November, bei dem jede Menge Traditionsunternehmen ihr aktuelles Sortiment sowie Produkt-Highlights „made in Solingen“ zeigen und manches gute Stück zu Sonderpreisen verkaufen. Nirgendwo sonst findet man eine solche Auswahl erstklassiger Schneidwaren, verbunden mit einer persönlichen Beratung direkt durch die Hersteller.

Alles echt im LVR- Industriemuseum

Zentrum für verfolgte Künste in Solingen

Auch sonst lohnt ein Besuch im LVR- Industriemuseum an der Merscheider Straße. In den Räumen der früheren Scherenschlägerei und Gesenkschmiede F.& W. Hendrichs, gegründet 1886, mit roten Backsteinwänden und einem hohen Schornstein, hat sich kaum etwas verändert seit der Schließung des Werkes im Jahr 1986. Früher wurden hier Scherenrohlinge geschmiedet. Und noch heute zeigen ehemalige Beschäftigte den Besuchern, was ehemals Bestandteil ihres harten, anstrengenden Arbeitsalltags war – an den Pressen und Fräsmaschinen etwa. Und wie zu Zeiten der letzten
auftragsmäßigen Fertigung surren heute noch die Treibriemen, glühen die Öfen und hört man den lauten Schlag des Hammers. Auch der Umkleideraum mit den alten Spinden wurde original belassen, ebenso der Waschraum mit der langen Reihe drehbarer Waschschüsseln. Und in der herrschaftlichen Villa gleich
nebenan erhält man Einblicke in die damalige Lebenswelt der Fabrikantenfamilie. Der Rundgang durch die mehr als 3500 Quadratmeter große Ausstellungsfläche gibt jedenfalls einen guten Überblick über den Prozess der Scherenherstellung und die Arbeitswelt von damals. Nicht verpassen sollte man die Highlights des Programms, etwa die Konzertreihe „Jazz in der Schmiede“ und das alljährliche Museumsfest. So wird der Ort, der über so viele Jahrzehnte die Geschicke dieses Viertels mitprägte, wieder lebendig – mit Kultur und Mitmachaktionen, mit Schmiedeworkshops und Führungen speziell für Kinder.

Informationen

LVR-Industriemuseum
Gesenkschmiede Hendrichs
Merscheider Straße 289-297, 42699 Solingen,
www.industriemuseum.lvr.de

Öffnungszeiten:

Öffnungszeiten können in Zeiten con COVID-19 abweichen, bitte informieren Sie sich auf der Homepage!

Di. – Fr. 10-17 Uhr,
Sa., So. und an Feiertagen 11-18 Uhr

Fotos: Leon Sinowenka, Böker, LVR-Industriemuseum – Miriam Schmalen
Copyright © Stadt Solingen 2020